Der Marktbereich der betrieblichen Altersversorgung und der artverwandten Zeitwertkonten wird hauptsächlich durch Finanzdienstleistungs- bzw. Versicherungsgesellschaften besetzt und in den Vordergrund geschoben. Leider jedoch nicht immer zum Vorteil der betroffenen Berater und Mandanten. Vor diesem Hintergrund und der zunehmenden Komplexität und Aktualität von Beratungsprozessen in den Bereichen der betrieblichen Altersversorgung und der Zeitwertkonten, ist eine Sensibilisierung und Aufklärung sowie ein Umdenkprozess für die Berater- und Mandantenlandschaft dringend geboten.
Beratung in den Bereichen der betrieblichen Altersversorgung und der Zeitwertkonten spielt sich zu weiten Teilen im klassischen Zivilrecht ab. Somit sind Tangierungen beispielsweise mit dem Steuer-, Sozialversicherungs-, Arbeits- und dem Bilanzrecht unabdingbar und folglich klassische Beratungsfelder für Rechtsberater. Jedoch vermittelt die Versicherungswirtschaft seit mehr als drei Jahrzehnten den Eindruck, dass die betriebliche Altersversorgung ausschließlich ein Produktthema ist und die zugehörige Rechtsberatung klassisches Nebengeschäft sei. Auch die einschlägigen bAV-Beratungsorganisationen und -Fachverbände klären nur absolut unzureichend die Mandanten- und Kundenkreise auf und folgen somit dieser fragwürdigen Argumentation.
Die aktuelle Gerichtsbarkeit sollte die oben genannten „Kreise“ jedoch aufhorchen lassen:
Denn der Bundesgerichtshof und auch Instanzengerichte haben definitiv klargestellt, dass Rechtsberatung im Bereich der bAV nur durch zugelassene Rechtsberater erfolgen darf. Andernfalls drohen haftungsrechtliche Konsequenzen (vgl. BGH vom 20.03.2008 – IX ZR 238/06 -, DB 2008, S. 983 – 985; vgl. als Beispiel für einen Instanzenurteil: AG Schwäbisch Gmünd vom 26.08.2010 – 2 C 995/09 -, BeckRS 2011, 06624). Somit wird für die involvierten Berater und Arbeitgeber deutlich, dass betriebliche Altersversorgung als „Beratungsgebiet“ und nicht als „Produktabsatzvehikel“ zu betrachten ist.
Für das neue und innovative Geschäftsfeld der Zeitwertkonten lassen sich die o. g. Tendenzen ebenfalls gegenwärtig feststellen:
Aufgrund der Tatsache, dass sich das Geschäftsfeld „Zeitwertkonten“ noch in der Anfangsphase befindet, bedingt durch die noch junge gesetzgeberische Historie, unternehmen gerade zahlreiche Versicherungs- und Kapitalanlagegesellschaften den Versuch, den Markt der Zeitwertkonten für sich einzunehmen. Es werden dem weiten Markt ausschließlich, wie auch im Bereich der betrieblichen Altersversorgung, Produktgestaltungen offeriert, statt die dringend gebotenen Beratungs-, Dienstleistungs- und Servicefaktoren in den Vordergrund zu stellen. Zudem darf der Aspekt der arbeitsrechtlichen Gerichtsbarkeit im Zusammenhang der Zeitwertkonten nicht unerwähnt bleiben. Auch wenn die Wertguthabenbildung keinen Durchführungsweg der betrieblichen Altersversorgung darstellt, wird für die beratende Zunft die sich entwickelnde Rechtsprechung im Rahmen der Wertguthabenbildung ebenfalls sehr restriktiv zu erwarten sein. Denn gerade im Rahmen der artverwandten Entgeltumwandlung der betrieblichen Altersversorgung erweist sich die arbeitsrechtliche Judikatur zumeist als sehr arbeitnehmerfreundlich (vgl. Reinecke, DB 2006, S. 555-563 und LAG München vom 15.03.2007 – 4 Sa 1152/06 -, NZA 2007, 813).
Die beschriebene Thematik sollte auch explizit Unternehmensleitern zu denken geben:
Unternehmensleiter bedienen sich zur Ausführung der Implementierungsvorgänge in den Bereichen der betrieblichen Altersversorgung und der Zeitwertkonten häufig Erfüllungsgehilfen, beispielsweise in Form von Steuer- und Finanzberatern. Dies geschieht oftmals in dem Glauben, dass hierdurch die Haftung „verlagert“ werden kann. Jedoch kann ein Erfüllungsgehilfe einen Unternehmensleiter nie aus der „Schusslinie“ holen, auch wenn der Erfüllungsgehilfe eine haftungsrelevante Situation für den Arbeitgeber bzw. den Unternehmensleiter verschuldet hat. Ein beispielhafter Blick in das für viele Unternehmen einschlägige GmbH-Gesetz reicht zur Verdeutlichung aus:
- „Die Geschäftsführer haben in den Angelegenheiten der Gesellschaft die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes anzuwenden.“ (§ 43 Absatz 1 GmbH-Gesetz)
- „Geschäftsführer, welche Ihre Obliegenheiten verletzten, haften der Gesellschaft solidarisch für den entstandenen Schaden.“ (§ 43 Absatz 2 GmbH-Gesetz)
- „Geschäftsführerhaftung im Falle der Aufgabendelegation setzt voraus, dass der Geschäftsführer Überwachung-, Organisations- und Auswahlpflichten schuldhaft verletzt hat.“ (Kommentierung zum GmbH-Gesetz, Baumbach/Hueck)
Somit kann der Unternehmensleiter höchstens im Innenverhältnis seinen „Erfüllungsgehilfen“ zur Verantwortung ziehen, muss er aber im Außenverhältnis alleine seinen „Kopf hinhalten“, denn die Verletzung des Auswahlpflichten wird einem Unternehmensleiter häufig anzulasten sein können. Es kommt daher auch für die Unternehmensführer auf eine dezidierte Kenntnis der Sachlage und die Auswahl des richtigen Beraters an, um nicht vor dem Problem zu stehen, „was ich denn da eigentlich unterschrieben habe“.
Die Auswirkungen dieser genannten Entwicklungen und Gegebenheiten werden zudem im bAV- und Zeitwertkontenmarkt eindrucksvoll, anhand der unzureichenden Durchdringungsquoten der jeweiligen Versorgungs- und Absicherungswege, demonstriert.
Dieser Fehlentwicklung tritt der Bundesverband der Rechtsberater für betriebliche Altersversorgung und Zeitwertkonten e.V. eindeutig entgegen, um den Markt der betrieblichen Altersversorgung und der Zeitwertkonten dahin zu führen, wo er erfolgreich umgesetzt „zu Hause ist“:
im Dienstleistungs- und Rechtsberatungsbereich.